Ich gebe es zu: Urlaub heißt für mich Kaffee im Bett und Kuchen zum Frühstück. Also verreise ich stets mit Kastenform, um, im Feriendomizil angekommen, Bananenbrote und andere Frühstückskuchen zu produzieren. So auch gerade, beim sommerurlauben in der Bretagne. Allerdings wird auch das beste Bananenbrot irgendwann langweilig wird und ich habe mich im Supermarkt zu einer 2-Kilo-Box voll süßer französischer Aprikosen hinreißen lassen. Also, dachte ich, ich improvisiere einen Rührkuchen mit eben diesen Aprikosen. Es wanderten Mehl und Backpulver in meinen Einkaufswagen, bevor ich den ungewohnt langen Heimweg vom Supermarkt ins Airbnb antrat. Zuhause in Frankfurt lebe ich mitten in der Stadt und bin mindestens einen Rewe ums Eck gewöhnt. Da erscheint es wie eine kleine Erdumrundung, mit dem Auto 20 Minuten ins nächstgrößere Dorf zu fahren, um einkaufen zu gehen. Mal eben rüberlaufen, weil man mal wieder etwas vergessen hat, ist hier jedenfalls nicht.

im Ferienhaus angekommen, wog ich gleich hochmotiviert mein Mehl ab und mischte anschließend ein Päckchen des gerade erstandenen Backpulvers hinzu. So jedenfalls dachte ich. Nur komisch, dass das Backpulver ungewöhnlich braun und körnig aussah. Fast wie Hefe. Ziemlich genau wie Hefe sogar. Shit! Ich habe Hefe gekauft. Mein Backpulver ist Hefe. Das kommt davon, wenn man Französisch eher rät als beherrscht.

Mein ganzer schöner Plan war also dahin. Ohne Backpulver, kein Rührkuchen. Und nun waren Mehl und Hefe ja auch schon unwiederbringlich vermischt. Ich habe keinerlei Beziehung zu selbtsgemachten Pizzaböden, bin auch während des Lockdowns nicht dem Brotback-Trend gefolgt und kann auch sonst auf keinerlei Hefeteigerfahrung zurückgreifen. Außerdem – und das war noch viel wichtiger – wollte ich doch Aprikosenkuchen. Und wenn ich mich auf etwas Essbares freue, dann werde ich mitunter ganz schön unflexibel.

Der Verzicht aufs Aprikosenkuchenbacken mag jetzt ziemlich profan erscheinen. Man wird auch ohne auskommen, noch ist jemand an Aprikosenkuchenmangel jämmerlich verendet. Aber – und jetzt kommen wir langsam zur Meta-Ebene: Je perfektionistischer man veranlagt ist und je weniger Fehler man sich selbst zugesteht, desto dramatischer kann sich so ein Missgeschick anfühlen. Wenn Du selbst Perfektionismus und die Angst vor Fehlern kennst, wenn Du eine laute innere Kritikerin in Dir hast, dann kennst Du diese Dynamik vielleicht auch. Ich schreibe also ganz bewusst vom Aprikosenkuchen-Gate, diesem so simplen Beispiel. Denn die Muster einer Perfektionistin sind immer dieselben, bei Lappalien genau wie bei lebenswichtigen Entscheidungen.

Zurück zu meinem Boulangerie-Fauxpas. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich daran, meine Mehl-Hefe-Mischung einfach zu entsorgen und ohne Aprikosenkuchen, stattdessen mit negativen Gedanken und Enttäuschung schlafen zu gehen. Früher wäre so eine Situation jedenfalls eine Steilvorlage für meine innere Kritikerin gewesen. „Wie kann man so blöd sein?!“ hätte sie mir ins Ohr geflüstert. „Typisch für Dich, dass Du etwas Falsches kaufst“. Vielleicht hätte sie mich sogar dazu angetrieben, nochmal in den Supermarkt zu fahren. Denn die Abwesenheit von frischem Aprikosenkuchen manifestierte ab jetzt mein Versagen auf ganzer Linie.

Da ich nun aber schon genug innere Arbeit geleistet habe, um nicht in diese Muster zu verfallen, war ich offen für bessere Auswege. Außerdem würde ich, als Tochter von zwei Kriegskindern, etwas noch annähernd Essbares niemals einfach in den Müll werfen. Aus den absurdesten Resten etwas Leckeres zu zaubern, habe ich schon als Kind von meinem Vater gelernt. Also los.

Google eröffnete umgehend die Welt der süßen Brote und Hefezöpfe. Ich machte mich etwas skeptisch an die Arbeit und knetete, so wie ich es von meiner Oma kannte, einen Teig. Mein Werk ließ ich dann eine Stunde lang auf der Fensterbank gehen, natürlich nicht ohne alle zehn Minuten unter seine Abdeckhaube zu lunsen, wie sich mein Patient so machte. Tatsächlich verdoppelte er in der angegebenen Zeit brav sein Volumen und ich konnte mein Experiment in eine Springform umziehen lassen. Meine Gefühle lagen bei diesem Schritt irgendwo zwischen Trotz und Triumph. Ich entschied mich also ganz mutig dafür, die Aprikosen, die eigentlich für meine meine ursprünglichen Kuchenvision bestimmt gewesen waren, auf meinem Hefe-Ding zu verteilen.

Ich spule vor zur Pointe von dieser etwas random erscheinenden Geschichte: Das Aprikosenbrot war ungefähr das Leckerste, was ich jemals gebacken habe. Ein fluffiger Teig, nicht so klebrig wie Kuchen und nicht so derb wie Brot. Auf jedem Bissen eine süße Aprikose, als hätte das Brot seine eigene Marmelade im Gepäck. Durch das Backen waren die Früchte innen ganz golden und flüssig geworden, so dass man beim Essen dachte, sie würden im Mund einfach schmelzen.

Mein Backstubenversehen überlebte kaum länger als 24 Stunden, bevor ich das nächste süße Hefebrot (mit noch mehr Aprikosen) in den Backofen schub. Auch dieser Nachfolger des Prototypen (oder besser: Brototypen) wird nicht der Letzte bleiben. Am Ende war ich froh, dass ich keinen Kuchen gebacken hatte. Zur Hölle mit Backpulver, es lebe der Hefeteig! Und plötzlich eröffnen sich ganz neue, unendliche Welten. Vielleicht mache ich bald mal ein richtiges Brot (ganz ohne Aprikosen), vielleicht mit Oliven und Tomaten, wer weiß. Fest steht: das Aprikosenbrot gehört zu den kulinarischen Highlights meines Urlaubs, das ich immer mit sandigen Füßen, Salz in den Haaren und bretonischer Sonne verbinden werde.

Zur Moral von dieser Geschichte brauche ich wahrscheinlich nicht viel sagen, außer, dass „Fehler“ machen manchmal das Beste ist, was einem passieren kann. Man braucht dafür nur die Offenheit, die Möglichkeiten zu sehen, anstatt sich auf die Unmöglichkeiten zu versteifen. Dann können Kreativität und Neugier entstehen, und plötzlich hat man Spaß statt Routine. Auch für die Psyche ich es super, wenn wir Fehler machen und Schwierigkeiten meistern: es fördert unsere Problemlösungsfähigkeit und damit unsere Resilienz. Ganz schön großer Impact für ein kleines Aprikosenbrot.

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Wenn Du jetzt Appetit hast, hier das Rezept zum Nachbacken:

500g Mehl

1 Paket Trockenhefe

140g Zucker oder Zuckeralternative

1 Prise Salz

2 Eier oder Ei-Ersatz

200ml (Pflanzen-)Milch

75g weiche Butter, Margarine oder neutrales Öl

Jede Menge Aprikosenhälften

Zuerst Mehl und Hefe vermischen, dann die restlichen Zutaten (bis auf die Aprikosen) dazugeben und zu einem Teig kneten. Ca. eine Stunde an einem warmen Ort gehen lassen. Anschließend in eine Backform geben, mit dem Obst belegen und ca. 45 Minuten bei 180 Grad backen.